Bericht: 28. bis 30.9. – Workshop Weiterverarbeitung in der Schweiz
Ein Blick über den nationalen Tellerrand nach Bern und Zürich – Lernen von den KollegInnen: Ausbildung in der Schweiz und Umgang mit veränderten Anforderungen, v. a . Produktion ab Auflage 1
Bericht aus dem LAG Workshop Weiterverarbeitung von Matthias Pier:
Die Sprecherin Melanie Jetschick hatte vom 28. bis 30. September 2016 die LAG Mitglieder zu einer Fortbildung in die Schweiz geladen. Das Thema des Workshops Weiterverarbeitung lautete in diesem Jahr „Lernen von den KollegInnen: Ausbildung in der Schweiz und Umgang mit veränderten Anforderungen v. a. Produktion ab Auflage 1“. Ein umfangreiches und interessantes Programm erwartete die TeilnehmerInnen, welches durch die Berner Kollegen zusammengestellt wurde. Dazu passten auch die idealen äußeren Rahmenbedingungen von über 20° C und reichlich Sonnenschein während des gesamten Fortbildungszeitraums. Die Berner Kollegen bereiteten den angereisten KollegInnen aus Leipzig, Frankfurt, Kassel, Bielefeld, Osnabrück, Münster und Berlin einen sehr herzlichen Empfang bei einem Begrüßungsumtrunk auf dem sonnigen Dachgeschoss des Schulgebäude der Schule für Gestaltung Bern und Biel, mit einer beeindruckenden Aussicht über die Hauptstadt der Schweiz. Nach dem Ausblick auf das Hauptstadtpanorama erfolgte eine Führung durch das Innere des Gebäudes.
Die Schule für Gestaltung Bern und Biel ist das Kompetenzzentrum für gestalterisch-künstlerische, gestalterisch-technische und gestalterisch-handwerkliche Grundbildung in der Region Bern und Biel. Die Grundausstattung mit digitalen Medien in den Unterrichtsräumen wie z. B. Rechner, Beamer, Aufsichtskamera, Projektionsmöglichkeiten usw. erlaubt den Kollegen der Schule für Gestaltung unterschiedlichste Lernangebote und Lerninhalte medial aufzubereiten. Diese Rahmenbedingungen ermöglichen den KollegInnen in Bern einen modernen Unterricht, z. B. im Rahmen von Lernfeldern, durchzuführen. In den Werkstätten der Druckverarbeitung bzw. Buchbinderei befinden sich diverse Schneide-, Falz-, Binde-, oder Prägemaschinen, sinnvolle Voraussetzungen für die Schaffung von betrieblichen Handlungssituationen. Der Einsatz von Werkzeugen und Maschinen ist wesentlich für einen handlungsorientierten Unterrichtsansatz, Lernfortschritte werden an den Ergebnissen der Herstellungs- und Lernprozesse sichtbar.
Neben der Ausstattung und der schönen Dachterrasse ist die Architektur des Schulgebäudes funktional gut gelungen, die Licht- und Arbeitsverhältnisse sind sehr gut, die Klassenräume sind geräumig und bieten einen Ausblick auf die Stadt Bern. In dem hellen, bodentief verglasten Erdgeschoss befindet sich auch die Kantine mit einer geräumigen Mensa. Eine Stahlwangentreppe ist zentral im Gebäude angelegt und verbindet als transparente Stahl-Holz-Konstruktion die Etagen. Jede Etage hat zudem Ausstellungsflächen für die Präsentation von Schülerarbeiten der einzelnen Bildungsgänge der Schule. Sehr angenehm empfanden die TeilnehmerInnen auch die zentrale Lage der Schule für Gestaltung, in unmittelbarer Nähe zur Aare und dem Botanischen Garten. Für neugierige LeserInnen empfiehlt sich der Imagefilm der Schule unter: http://www.sfgb-b.ch/sfgb/de/schule/imagefilm_tagwerk.html
Anschließend wurde die Stämpfli AG in Bern besichtigt, auch mit Blick auf veränderte Anforderungen in der Produktion ab Auflage 1. Anton Gurtner, Abteilungsleiter „PPS Terminstelle“, empfing die TeilnehmerInnen und informierte über die Stämpfli AG, deren Geschichte des Unternehmens mit der Gründung der „Hochobrigkeitlichen Druckerei“ an der Brunngasse durch den Staat Bern im Jahr 1599 beginnt. Die Stämpfli Gruppe vereint drei Unternehmen und beschäftigt aktuell rund 410 Mitarbeitende an vier Standorten in Bern, Zürich, Bregenz und Warschau. Im Kern seiner Ausführungen berichtete Herr Gurtner über den Einsatz und die Erfahrungen mit der MEGALITH Software für den Print Workflow zur Produktionssteuerung. Die Software ermöglicht unter anderem den Blick auf Vor- und Nachkalkulation als Steuerungsgrößen bei niedrigen Auflagenhöhen. Durch die Produktion führten uns dann Roger Schenk, Abteilungsleiter Druck und Franceschina Marco, Lernender Printmedienverarbeiter, was zu interessanten Gesprächen führte. Unser Dank geht deshalb an die Stämpfli AG und ihre kompetenten Mitarbeiter. Mehr Infos: http://www.staempfli.com/
Nach der Stämpfli AG besuchten wir die Berner Altstadt mit ihren sehenswerten Laubengängen, die auch zum Weltkulturerbe der Unesco zählen. Dank der Schulleitung und des Einsatzes der Schweizer Kollegen gab es dann am Abend noch eine überraschende Premiere, denn gemeinsam wurde ein leckeres Raclette in der Mensa des Schulgebäudes zelebriert und der Tag klang in entspannter Atmosphäre aus.
Wir bedanken uns ganz besonders bei Herrn Gelzer und dem gesamten Direktorat der Schule für Gestaltung Bern und Biel, die dafür sorgten, dass wir einen unvergesslichen Eindruck von Bern und der Gastfreundschaft der Berner Kollegen haben!
Am Donnerstagvormittag begann die Fortbildung bei Müller Martini Druckverarbeitungs-Systeme AG in Zofingen, dem Entwickler, Hersteller und Vermarkter von Druckweiterverarbeitungssystemen. Begrüßt wurden wir von Adrian Mayr, der uns einen kurzen Überblick über die Neuerungen aus dem Drupa-Jahr gab. Am Beispiel der neuen „SigmaLine“ für die digitale Buchproduktion und dem neuen Sammelhefter „Presto II Digital“ wurden die produktionstechnischen Lösungen für den Auflagenbereich 1 vorgestellt. Anschließend übernahm Andreas Aplien das Wort zum selbst entwickelten Daten- und Prozessmanagement-System „Connex“. Bei der Entwicklung der Workflowlösungen setzt Müller Martini ausschließlich auf Standards wie JDF, JMF, IFRA Track oder Prime. Dadurch kann die Software mit minimalem Aufwand in den bestehenden Kundenworkflow integriert werden. Anschließend waren die Drupa Neuheiten von Heinz Businger (Vareo + SigmaLine) und Ronald Reddmann (Presto II Digital) im Produktionsmodus zu sehen und sorgten für interessante Fachgespräche. Für das leibliche Wohl hatte Müller Martini Druckverarbeitungs-Systeme AG auch gesorgt, denn die TeilnehmerInnen wurden zu einem Mittagessen in der werkseigenen Kantine eingeladen. Danke für den herzlichen Empfang von Müller Martini Druckverarbeitungs-Systeme AG in Zofingen. http://www.mullermartini.com/de-CH?c=Switzerland
Der Besuch der Berufsschule für Gestaltung Zürich stand am Nachmittag auf dem Programm. Vor Ort konnten wir die Werkstätten des Fachbereichs Drucktechnologie und Printmedienverarbeitung besuchen. Wir trafen uns mit dem Kollegen Piär Amrein, der einen Abendkurs leitete und die Unterrichtsräume und unterschiedlichste Arbeitsergebnisse seiner SchülerInnen zeigte. Anschließend stand der Besuch der Altstadt und des Zürichsees auf dem Programm. Der Tag wurde mit dem Besuch eines italienischen Restaurants angemessen beendet. http://www.medienformfarbe.ch/
Ein weiterer Höhepunkt war am nächsten Vormittag der Besuch der Firma bubu in Mönchaltorf, wobei die Abkürzung für die „Buchbinderei Burkhard“ steht. Der Bekanntheitsgrad der Buchbinderei reicht über die Schweiz hinaus, auch wegen der sehr anschaulichen „Spectrum-Boxen“. 1941 durch die Übernahme einer Buchbinderei in Zürich gegründet, lautet das Motto aktueller denn je: „Ja, das chömer scho mache, mir mached alles!“ Der mittlerweile aus der aktiven Geschäftsführung ausgeschiedene Hans Burkhard, Sohn des Firmengründers, brachte uns die Geschichte der Buchbinderei näher und führte uns durch den Buchbindereibetrieb. Ein Konzept von bubu ist sicherlich die große Fertigungsbreite, alle denkbaren Produkte der Weiterverarbeitung können im Hause angefertigt werden. Auch der Einstieg in den Bereich der Auflagenproduktion 1 ist mit der „Bookfactory“ gelungen. Beispielsweise werden Fotobücher digital auf Indigomaschinen im eigenen Haus gedruckt, gebunden und versendet. Bekannt sind auch die hochwertigen Produkte des Faksimile-Verlags „Quaternio“ aus Luzern, die ebenfalls hier gebunden wurden.
Überzeugend wirkte auch hier die Architektur des Buchbindereigebäudes. Abteilungen und Bereiche im Gebäude sind gut funktional organisiert und angeordnet. Im Erdgeschoss befinden sich neben Wareneingangslager und Versorgungs- bzw. Entsorgungseinrichtungen, digitale Drucksysteme und Werkstätten für den Sortimentsbereich. Im Obergeschoss befindet sich die industrielle Fertigung, ausgeleuchtet mit viel natürlichem Tageslicht, zum Teil auch durch Oberlichter in der Deckenkonstruktion. Die Maschinenausstattung ist aktuell und vielfältig, auch was die Anzahl der Maschinenhersteller betrifft. Einzelne Maschinenkonfigurationen sind variabel gehalten und können je nach Produktionsanforderungen passend angeordnet werden. Das große Thema aller Buchbindereien, als Letzte der Fertigungsstrecke im Reklamationsfall oftmals erster Ansprechpartner sein zu müssen, beantwortet die Buchbinderei Burkhard sehr pragmatisch. Die Antwort besteht aus einer systematischen Musterabteilung im Foyer, in der kreative Ideen als buchbinderische Produkte ausliegen. Zudem hält der Internetauftritt von bubu anschauliches Informationsmaterial bereit und kann so die NutzerInnen virtuell in die Buchproduktion einbinden. Die Besichtigung und das Gespräch mit Hans Burkhard waren ein besonderes Erlebnis des diesjährigen „Workshops Druckverarbeitung“ in der Schweiz. Mehr unter: http://www.bubu.ch/
Beim abschließendem Mittagsessen waren sich alle TeilnehmerInnen einig darüber, dass die Reihe von gelungenen Workshops der Weiterverarbeitung auch in der Schweiz fortgesetzt werden soll.